Peter Köhl (1842-†1890) - der Auswanderer

Peter entstammte der Gerberfamilie des Antoni Köhl (1678-†1748) und war somit auch ein Nachkomme des Bürgermeister Bernhard von Köhl. Peter ereilte aber ein ähnliches Schicksal wie Simeon Köhl (1760-†1845): Er war ein uneheliche Kind des Metzgers Anton Köhl und der Luzia Meier[1], Tochter des Vitus Meier und der Anna Puff von Chur. Weshalb es zu keiner Eheschliessung kam ist nicht bekannt, jedoch scheint der Vater das Kind anerkannt zu haben da es seinen Namen tragen sollte. Als uneheliches Kind verlor Peter sein Bürgerrecht, hatte aber trotzdem den Status als bedingter Bürger der Stadt Chur. Nur 1 Jahr nach der Geburt des Kindes starb der Vater an einer Lungenentzündung. Es scheint dass Peter bei seiner Mutter oder deren Familie in Chur aufwachsen durfte, es sind keine Einträge in den Protokollen der Armenkommission und der Vormundschaftsbehörde zu finden.

Ehefrau: Mary L. Schnabel
Kinder: 6
Beruf: Arbeiter

Die Geburt des Johann Ulrich Merz

Ende 1847 wurde seine Mutter Luzia erneut schwanger. Der Vater, Johannes Nepomuk Merz, wollte die Mutter aber nicht heiraten. So gebar Luzia einen weiteren unehelichen Knaben, Johann Ulrich Merz, welcher auch von den Grosseltern aufgenommen wurde. Peter hatte nun einen 6 Jahre jüngeren Bruder erhalten.

Als Peter 8 Jahre alt war wurde er wegen unangebrachtem Verhalten der Schule verwiesen und für 1 Jahr im Waisenhaus untergebracht. Dort traf er auch auf die Kinder des Isaak Köhl und des Simeon Köhl, welche zur gleichen Zeit auch im Waisenhaus untergebracht waren. Auf Drängen seiner Mutter und Dank gutem Betragens durfte Peter nach 1 Jahr wieder zu seiner Mutter zurückkehren[2] und besuchte nun die gerade neu eröffnete Nikolai-Schule beim Kornplatz.

1855, Peter war nun 13 Jahre alt, heiratete seine Mutter in Chur doch noch den Vater des unehelichen Kindes, Johannes Nepomuk Merz. Dieser hatte wie Peter eine ähnliche Vorgeschichte, war ein uneheliches Kind der Getrud Merz mit einem Familienvater aus Seitingen (Königreich Württemberg, DE), Franz Joseph Leopold. Johannes Nepomuk war ohne Vater bei seiner Mutter im Lugnez aufgewachsen, hatte aber die deutsche Staatsbürgerschaft und wurde erst 1854 in Vigens eingebürgert. Durch die Heirat wurde der uneheliche Sohn Johann Ulrich Merz legitimiert. Die Familie lebt nun in einer Wohnung im Bärenloch 14, gleich neben der St. Martins Kirche[13].

Ein Jahr später kaufte sich Johannes Nepomuk Merz am Bärenloch 11 die Hälfte des Wohnhauses und den darin befindlichen Laden für sich und seine kleine Familie[11]. Die Familie wohnte von nun an Mitten in der Altstadt von Chur. 2 Jahre später kam ein weiteres gemeinsame Kind, Friedrich Merz, hinzu. Johannes Nepomuk konnte nun auch die andere Hälfte im Bärenloch 11 erwerben. Peter lebte mit seiner Mutter, seinem Stiefvater und seinen zwei Halbbrüdern, Johann Ulrich und Friedrich, die folgenden Jahre im Bärenloch 11 in Chur und beendete die Primarschule ohne weitere Zwischenfälle.

Ob und wo Peter eine Lehre gemacht hat und welchen Beruf er erlernt hat ist nicht bekannt. Aber er scheint sich gut verhalten zu haben und wurde an seinem 20ten Geburtstag, zusammen mit seinem Halbbruder Johann Ulrich, durch Ratsbeschluss als Churer Bürger aufgenommen. Vermutlich zog er zu dieser Zeit aus dem Elternhaus an, es gibt Hinweise dass er danach im Kanton Zürich lebte.

1864 schwängerte Peter eine Paulina Knechtaus Hinwil, wollte/konnte/durfte diese aber nicht heiraten. So wurde Ende 1864 ein Tochter Namens Elisabeth Köhl geboren. Erst 1867 wurde das uneheliche Kind dann ehelich und erbrechtlich anerkannt, vermutlich durch den kurz zuvor von Paulina geehelichten Heinrich Honnegger[1]. 1 Jahr zuvor war Peter bereits nach Amerika ausgewandert.

Auswanderung nach Indianapolis

Am 5.4.1866 legte das Schiff Bavaria, von Hamburg kommend, in New York an[3]. Peter Köhl, 23 Jahre alt, war mit an Bord. Er dürfte dann direkt nach Indianapolis weitergereist sein und sich dort eine Arbeit gesucht haben.

Im selben Jahr reiste auch eine Marie Schnabel nach Amerika. Marie war die Jüngste von 9 Kindern des Johann Michael Schnabel und der Eva Margaretha Pfitzenmaier. Die Familie war seit Generationen sesshaft in Unterheinriet, Weinberg, in der Nähe von Heilbronn im Königreich Württemberg. Ihre ältere Schwester, Louisa Schnabel (29), war bereits 1857 in die USA ausgewandert, hatte einen Heinrich Frech geheiratet und bereits zwei Töchter. Ihre 2te Tochter wurde 1864 in Indianapolis geboren. Sie dürfte bereits vorher dort gelebt und ihre Schwester Marie zu sich eingeladen haben. In Indianapolis dürften sich dann Peter und Mary, so nannte sie sich nun, kennengelernt haben.

3 Jahre nach ihrer Ankunft heirateten die beiden und liessen sich in Indianapolis, Indiana, nieder[4]. Peter hatte inzwischen seinen Namen in KOEHL geändert und arbeitete in Indianapolis als Verkäufer im Einzelhandel. 1870 wurde die erste Tochter, Louisa Koehl, geboren. Das Kind trug den gleichen Namen wie Marys ältere Schwester.

Im Juli 1871 wanderte Peters Halbbruder, der Churer Johann Ulrich Merz, zusammen mit seiner Verlobten, Maria Dorothea Cabalzar von Alvaschein (GR), ebenfalls nach Indianapolis aus[5]. Peters Familie wuchs weiter, Tochter Kate L. und Anna kamen hinzu. 1874 heiratete dann sein Halbbruder Johann Ulrich und gründete in Indianapolis ebenfalls eine Familie. Nach der Geburt der ersten Tochter kehrte Johann Ulrich um 1876 wieder nach Chur zurück. Gemäss Adressbuch der Stadt Chur von 1880 wohnt er am Bärenloch 6, ganz in der Nähe des Wohnhauses seiner Mutter und des Stiefvaters. Als Beruf wird Handelsmann angeben. Hier kamen 2 weitere Kinder zur Familie Merz hinzu.

Sein anderer Halbbruder, Friedrich Merz, scheint ein sehr kluger Bursche gewesen zu sein und hatte inzwischen die Kantonsschule in Chur besucht. Er schloss diese 1877 erfolgreich ab und zog nach Zürich um dort an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich Medizin zu studieren. Dort bestand er 1882 das Staatsexamen und machte anschliessend einen Studienaufenthalt in Berlin. 1885 heiratete er in Zürich Emerita Bertha Berg, kam wieder nach Chur zurück und eröffnete eine Praxis.

Peter war 1880 bereits an Neuralgie (Nervenerkrankung) erkrankt. Zu dieser Zeit lebten im Köhlschen Haushalt im House 573 an der West Pearl Street in Indianapolis Louisa (9), Kate (7), Anna (5), Mary (4), Amelia (2) und John (¼). Die drei älteren Töchter gingen bereits zur Schule. Der erste Sohn, John Frederic, war erst kurz vorher geboren worden[9]. Ein weiterer Sohn, Edward Henry und 2 Töchter, Adelheide (Alda) Matilda und Calorine C. vervollständigten dann die grosse Familie.

Zu dieser Zeit starb in der fernen Schweiz seine Mutter Luzia Meier. Ihr Ehemann, Johannes Nepomuk Merz, dürfte sich schon einige Zeit vorher von ihr getrennt haben, da er kurz vor ihrem Tode eine junge Frau, Elisabeth Hagen aus Rüti, geheiratet hatte.

 

Der frühe Tod des Familienvaters

1888 starb dann die erstgeborene Tochter Louisa mit nur 19 Jahren. 2 Jahre später starb Peter mit nur 48 Jahren in Indianapolis. Peter wurde auf der Crown Hill Cemetery in Indianapolis beerdigt. Seine Witwe blieb mit den 8 minderjährig Kindern alleine zurück. Es dürfte eine schwere Zeit für die alleinstehende Mutter gewesen sein. Doch auch für seinen Stiefbruder Johann Ulrich dürfte es ein grosser Verlust gewesen sein, hatte er doch mit seinem Halbbruder seit ihrer Kindheit vieles zusammen durchgestanden, waren zusammen nach Indianapolis ausgewandert, hatten hier ihre Familien gegründet. Johann Ulrich Merz und Marys Schwester Louisa Frech-Schnabel dürften in dieser schwierigen Zeit Mary und ihre Kinder sicher beigestanden und unterstützt haben.

Das schwierige Erbe des Johann Nepomuk Merz

1892 starb dann Johannes Nepomuk Merz, Stiefvater von Peter und Vater von Johann Ulrich Merz. Dieser war ja noch im Besitze einer Wohnung im Haus am Bärloch 11 gewesen, hatte aber auch Schulden bei seinem Sohn Johann Ulrich aufgenommen. Deshalb meldeten sich nun Witwe Mary Schnabel-Koehl und Johann Ulrich Merz aus Indianapolis bei den Churer Behörden um zu klären wie das Erbe zu verteilen sei[7]. Die Verhältnisse waren ziemlich kompliziert da neben der Witwe seines Stiefsohn Peter und dem leiblichen Sohn Johann Ulrich nun auch noch Johannes Nepomuks letzte Frau und deren 3-jähriges Töchterchen Anspruch auf das Erbe erhoben.

«Auf eine Anfrage des Herrn Dr. Fr. Grugger als Bevollmächtigter der Witwe Maria Köhl-Schnabel in Indianapolis, der gegenwärtig das Vermögen des gestorbenen Johann Nepomuk Merz verwalte, ist zu antworten, dass durch die hiesige Amtsstelle für Herr Johann Ulrich Merz Herr Advocat J Tarrer und für die minderjährige Töchter der Witwe Frau Elisabeth Merz-Hagen, Namens Johanna Maria Clara Merz, Herr C Morath zur Kublerei bestellt wurde» [8].

Es wurde eine umfangreiche Teilungsurkunde ausgearbeitet und der Vormundschaftsbehörde vorgelegt. Ein Streitpunkt war insbesondere ein Schuldschein über die Summe von 6512.--, welcher von seinem Sohn Johann Ulrich ausgestellt worden war. Johannes Nepomuk hatte vor seinem Tod diesen Schuldschein zur lebenslangen Nutzniessung auf seine Frau überschrieben. Dafür erhielt Johann Ulrich nun als Pfand das Haus am Bärloch 11. Diese Wohnung wurde kurz darauf von den Erben an J. Poltera verkauft und der Erlös unter den Erben aufgeteilt. Den grössten Teil dürfte Johann Ulrich für die Rückzahlung des Schuldscheins erhalten haben[12].

Diese Erbschaft dürfte Mary sehr geholfen haben. Leider musste Mary 1895 einen weiteren Verlust hinnehmen: Tochter Anna starb mit nur 21 Jahren in Indianapolis.

1910 lebte Mary (68) weiterhin in Indianapolis Ward 15, Center Township, House Nr. 935 zusammen mit ihrer Tochter Kate (37) und Enkeltochter Amelia Marie (12), sowie ihrem Sohn Edward (27) und der Tochter Carrie (22)[10]. Kates Ehemann, Joseph Smallwood, war kurz vorher gestorben, Kate und ihre Tochter zogen zu Mary. Alle anderen Kinder hatten inzwischen geheiratet und wohnten mit ihren Familien in Indianapolis.

1919 starb dann auch ihr ältester Sohn, John Frederick, mit nur 39 Jahren. Er hinterliess seine Frau mit 6 minderjährigen Kindern. Dafür durfte Mary Louisa Koehl-Schnabel die Geburt von 22 Enkeln erleben. Sie starb 1928 im hohen Alter von 85 Jahren im Kreise ihrer Familie und wurde wie ihr fast 40 Jahre zuvor gestorbener Ehemann auf der Crown Hill Cemetery in Indianapolis beerdigt.

Peters Halbbruder Dr. med. Friedrich Merz stieg in Chur zu einer wichtigen Persönlichkeit auf, wirkte als Platz-, Armen- und Gefängnisarzt, betreute das Kinderheim Fontana, leitete viele Jahre als Präsident den kantonalen Taubstummenverein, war Gründungsmitglied des Samaritervereinigung in Chur[97]. 25 Jahre gehörte er dem Schulrat, viele Jahre dem Grossen Stadtrat und dem Bürgerrat an. Er wurde auch zum Vormund verschiedener Personen ernannt. Unter anderem auch von Mitgliedern der Familie des Johann Jakob Köhl (1825-†1904) - der Trinker. In einem Nachruf wird Friedrich Merz als «warmherzig, unermüdlich und als Freund der Armen» bezeichnet.[98] Im Churer Stadtfriedhof ist sein geschütztes Grabdenkmal zu finden.

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Eintrag im Protokoll der Vormundschaftsbehörde Chur betr. Nachlass Johann Merz (StAC BB III/09.001.007 S40)


Die Geschichte des Peter Köhl ist insofern von Interesse da er der einzige Köhlsche Auswanderer war der Nachkommen der Manneslinie bis in die heutige Zeit hat. Nachkommen seines Sohnes John Frederick Koehl (1880-†1919) und dessen Söhnen Edward Frederick Koehl (1906-†1954) und Paul Antoni Koehl (1914-†2019) leben heute noch in Indianapolis und Umgebung. Auch Johann Ulrich Merz hatte Nachkommen welche bis heute in Indianapolis leben.

Quellen:

1: Bürgerregister StAGR S221 Nr.333

2: Protokolle Vormundschaftsbehörde, AB II/P 06.08 S210/279

3: United States Germans to America Index, 1850-1897

4: Indiana Marriages, 1780-1992

5: Indiana Marriages, 1780-1992, John O. Merz, 1874

6: United States Census, 1900, Indiana, Marion, ED 186 Center Township, Precinct 11 Indianapolis city Ward 15

7: Protokolle Vormundschaftsbehörde, StAC BB III/09.001.007 S40

8: Protokolle Vormundschaftsbehörde, StAC BB III/09.001.007 S68

9: United States Census, 1880

10: United States Census, 1910

11: Kaufprotokolle StAC B II 2.0019.099 Nr. 3121

12: Kaufprotokolle StAC B II 2.0019.099 Nr. 4955

13: Register Niedergelassene in der Stadt Chur, 1865, StAC BB III 01.008 037

97: Bündnerisches Monatsblatt 1914, Nekrolog Dr. Friedrich Merz

98: Askulap in Graubünden, Bündnerischer Ärzteverein, 1970

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